Meine erste Lesung seit 1982

 RÜCKBLICK 29 aus dem #TagebucheinerTräumerin: Ich stehe vor der Haustür und warte auf Karlotta. Gleich holt sie mich ab. Es ist 7 Uhr und wir fahren in die Schule, in der sie unterrichtet. Heute ist bundesweiter Vorlesetag und sie hat mich als Vorleserin engagiert. So kann ich meine Geschichte testen und herausfinden, ob die Kinder sie mögen.🤗 Es gibt nur ein Problem: Ich bin mega aufgeregt, weshalb ich auch nicht selbst Autofahren kann. Hab ich schon mal erwähnt, dass ich unter einer Sozialphobie leide?😨 Ich will grundsätzlich nicht gesehen werden. Ich alleine auf der Bühne, Spot an und viele Menschen, die mich anblicken – das geht gar nicht. Mein Adrenalinspiegel steigt dann ins Unermessliche, mein Herz rast, nasse Hände, Panik.😵 Ich kann nichts dagegen tun. Mein Gehirn signalisiert Lebensgefahr. Daher meide ich „Auftritte“. Da das als Autorin jedoch schwierig wird, hat Karlotta mir ihre Klasse zum Üben angeboten. „Es sind nur ein paar Kinder da und ich, deine Freundin. Ein ganz geschützter Rahmen. Alles wird gut.“
Bereits als ich in ihr Auto steige, merke ich, dass etwas nicht stimmt.  Auf der Autobahn endlich rückt sie mit der Sprache raus: „Eigentlich wollte ich dich ja schon gestern Abend noch anrufen. Aber dann dachte ich, es reicht ja, wenn ich nicht schlafe.“
HÄ?🤔
„Was ist denn passiert?“
„Meine Rektorin hat gestern noch gemailt und mir eine Sache mitgeteilt, die die Umstände der Lesung ein wenig verändert.“
HÄ?  Was redet sie da nur?
„Okay: ich sag es ganz schnell, dann ist es raus: Das Fernsehen kommt. Für ein paar Aufnahmen in meiner Klasse.“
AAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHH😣
140 Stundenkilometer mitten auf der Autobahn. Die Tür ist verriegelt. Es gibt kein Entkommen.

P.S. Ich bin den Heldentod gestorben. Aber ich hab‘s irgendwie durchgezogen. Die Kinder hatten riesigen Spaß, und meine erste Lesung wurde zu einem wirklich unvergesslichen Erlebnis. Danke, Karlotta.
Fotos: Alexa Kirsch/ Illustrationen im Hintergrund: @itsasock.illustration