Die fliegende Oma

RÜCKBLICK 47 aus dem #TagebucheinerTräumerin Ende Oktober 2018: ⁠
Manchmal passieren wirklich sehr seltsame, unerklärliche Dinge. Als ich zum ersten Mal nach meiner Akademiewoche meine Eltern besuche, sagt meine Mutter irgendwann zwischen Kuchen und einer Partie Rommé: „Ich hab im Keller aufgeräumt und eine Kiste gefunden. Da sind noch alte Sachen von dir drin.“ ⁠
Alte Sachen? Ich überlege, was das sein könnte? Wahrscheinlich von der Uni. Das ist mein erster Gedanke. Doch irgendetwas sagt mir, es könnte auch etwas anderes sein. Ein alter Schatz, den ich längst verloren glaubte. ⁠
Aufgeregt laufe ich los. ⁠
Eine muffige, alte Umzugskiste klotzt mich aus ihrer dunklen Ecke im Heizungskeller an. Ich ziehe sie ins Licht und öffne sie voller Spannung. ⁠
Ist es mein Schatz oder doch nur eine Sammlung alter Soziologie-Bücher? ⁠
Erst spüre ich diesen dicken Kloß im Hals, dann muss ich weinen - vor Freude. In der Kiste befinden sich tatsächlich all meine alten Geschichten, die ich als Kind geschrieben habe. Sogar „Die fliegende Oma“ ist dabei. Ich kann nicht glauben, dass sie genau jetzt zu mir zurückgekommen sind, die Figuren von damals, die ich irgendwann einfach weggesperrt habe – genau wie meinem Traum vom Schreiben. ⁠
Kann das ein Zufall sein? ⁠
Und dann fällt mir ein Zettel in die Hände. Es ist ein Brief von meiner damaligen Deutschlehrerin. ⁠
„Liebe Fanni, deine Gedichte sind von außergewöhnlicher Ausdruckskraft und eindringlich in der Sprache. Herzlichen Glückwunsch zu dieser beeindruckenden Leistung. Ich würde dir wünschen, dass Du Deine Sprache zu einem Mittel machen könntest, mit dem Du Gefühle, Eindrücke und auch Bedrückendes in Worte fassen kannst. Wer dazu in der Lage ist, hat mehr erreicht als die meisten. Wag es! Du hast das Zeug dazu!“ ⁠
Liebe Frau Schreiner, es hat 25 Jahre gedauert, aber jetzt bin ich soweit. Ich wage es! ⁠