Als ich Mr. Socke traf



RÜCKBLICK 27 aus dem #TagebucheinerTräumerin: „Ich hab gehört, dass du davon träumst, ein Kinderbuch zu schreiben. Zufällig habe ich einen Mitbewohner, der davon träumt, ein Kinderbuch zu illustrieren.“ Diese schicksalhaften Worte sprach Stan, der Vater eines meiner Tageskinder, an einem verregneten Montagmorgen. Wenige Tage später saß ich bereits am Küchentisch in Stans Wohnung und führte bei Tee, Käse und Jazzmusik die wohl ungewöhnlichste Unterhaltung meines Lebens. Was Stan vergessen hatte zu sagen: sein Mitbewohner ist eine Socke.

 

ICH: Seit wann wohnt ihr zusammen?

STAN: Irgendwann ist er unter meinem Bett hervorgekrochen und fing an zu quatschen. Davon, dass er der erfolgreichste Sockenillustrator der Welt werden will. Es war ihm nicht auszureden. Seitdem sind wir Freunde und kreative Partner bei einigen Projekten.
MR. SOCKE:  Vorher war es nur ein Sockenjob. Ich beschäftigte mich hauptsächlich mit Stans Füßen und Schuhen. Bis (Er holt tief Luft) ich eines Tages meinen Seelenverwandten verloren habe. Wir gehörten zusammen und dann war ich plötzlich allein.
ICH: Oh, das ist traurig. Waschmaschine?
MR. SOCKE: Hmm. Ich hing wochenlang im Waschraum und wartete, aber er ist nie wieder aufgetaucht. Dann hab mich unter Stans Bett verkrochen. Sechs lange Monate. Zum Glück gab es einen Stapel belgischer Comics und The Myth Of Sisyphus von Albert Camus. Ich las sie alle mehrmals und erkannte, dass ich meinen eigenen Sinn für mein Leben finden musste. Ich beschloss, der erfolgreichste Sockenillustrator der Welt zu werden.
ICH: Das mit der Waschmaschine ist ein Mysterium. Mir gehen auch ständig Socken verloren.
MR. SOCKE: Es ist die traurige Wahrheit des Lebens einer Socke. Eine von mir selbst erstellte Untersuchung ergab, dass eine Socke innerhalb von 6 Monaten nach dem Kauf mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent verschwindet.
ICH: Und aus welchem Grund?
MR. SOCKE: Langeweile, Kummer, stinkende Füße. Auch ein Stück Käse?

Wir saßen noch lange zusammen und redeten, er über seine Zeichnungen und ich über mein Buch. Am Ende war klar: Ich bin zwar keine Socke, aber ich hatte einen Seelenverwandten gefunden.